Interview: Neuer ISO-Standard zur Markenbewertung

By: Simon Plate / 15.10.10

Jörg Hoepfner

Das Normierungsinstitut ISO (International Organization for Standardization) hat nach mehrjähriger Diskussion nun erstmals einheitliche Kriterien für die Bewertung von Marken verabschiedet. Der entsprechende ISO-Standard 10668 „Brand valuation - Requirements for monetary brand valuation“ umfasst grundlegende Vorgaben über Komponenten und Methoden der Markenwertberechnung, die der individuellen Markenbewertung allerdings noch einen gewissen Spielraum lassen. Als zulässige Verfahren der monetären Markenbewertung gelten nach dem neuen Standard erlösbasierte, marktpreisbasierte und kostenbasierte Ansätze.

Markenerlösbasierte Bewertungsverfahren bestimmen den Markenwert dabei auf Basis des materielles Nutzens, der durch die Marke innerhalb ihres Lebenszyklusses erwirtschaftet werden kann. Marktpreisbasierte Ansätze basieren auf Marktpreisen, die andere Käufer im gleichen Markt für vergleichbare Marken gezahlt haben. Kostenbasierte Markenbewertungsverfahren setzen schließlich in der Regel an den für den (Wieder-)Aufbau der Marke notwendigen Kosten an. Der neue ISO-Standard empfiehlt die markenerlösbasierte Mehrgewinnmethode, die den Wert der Marke auf Basis der im Markt erzielbaren Preis- und Mengenprämien ermittelt.

Wesentlich für eine zuverlässige Bewertung ist dem Standard 10668 zufolge zudem ein interdisziplinärer Dreiklang von finanzwirtschaftlichen, verhaltenswissenschaftlichen und rechtlichen Einflussgrößen: So sind aktuelle und prognostizierte Marktvolumina, Marktwerte, Gewinnspannen und Vertriebskanäle zu analysieren. Als verhaltenswissenschaftliche Aspekte werden Markenstatus, Markenstärke und Einfluss der Nachfrage genannt. Hinzu kommen rechtliche Einflussgrößen wie Unterscheidungskraft, Umfang der Nutzung sowie Reichweite der Eintragung.

Jörg Hoepfner zum neuen ISO-Standard zur Markenbewertung

Anlässlich der Verabschiedung des neuen ISO-Standards haben wir mit einem Experten für Markenwertermittlung gesprochen. Jörg Hoepfner ist PR-Manager und Pressesprecher der BAUR Gruppe sowie Lehrbeauftragter an der Leipzig School of Media. Das Interview mit ihm lesen Sie hier:

communicationcontrolling.de: Herr Hoepfner, warum ist die Entwicklung eines Standards in der monetären Markenbewertung so wichtig?

Jörg Hoepfner: Bislang hat eine Vielzahl von Anbietern von Markenbewertungen auch eine Vielzahl an unterschiedlichen Modellen eingesetzt. Diese Modelle basierten wiederum auf verschiedenen Ansätzen. Das Ergebnis war, dass sich die final ausgewiesenen monetären Markenwerte teilweise um mehrere hundert Prozent unterschieden haben. Ein Beispiel: im Jahr 2004 hat das Handelsblatt die fiktive Marke „Tank AG“ im Rahmen eines Experiments von den führenden Markenbewertungsanbietern des deutschsprachigen Raums bewerten lassen. Die ermittelten Markenwerte lagen zwischen 173 Mio. und 985 Mio. Euro. Dieser Zustand konnte keinen Markenführer befriedigen und hat bei vielen von ihnen zu Unsicherheit und zu Zurückhaltung geführt.

communicationcontrolling.de: Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Verabschiedung des neuen ISO-Standards 10668 zur Markenbewertung?

Jörg Hoepfner: Der neue ISO-Standard ist ein sogenannter Meta-Standard. Dies bedeutet, dass nicht ein konkretes Markenwertermittlungsverfahren verbindlich vorgegeben wird, sondern dass drei komplett verschiedene Ansätze erlaubt sind. Auf diesen drei Ansätzen – dem markenerlösbasiertem, dem marktpreisbasiertem und dem kostenbasiertem Verfahren - können wiederum eine ganze Vielzahl an konkreten Markenbewertungsmodellen basieren: sehr viele global vorliegende Modelle können wie bisher angewandt werden und auch weiterhin differierende Markenwerte ausweisen – nun ist die Nutzung dieser Modelle allerdings durch das Label „ISO-Standard“ geadelt. Allerdings bleibt zu hoffen, dass die unter dem ISO-Label operierenden Markenbewertungsverfahren künftig zu einheitlicheren Ergebnissen kommen werden als die Gesamtheit aller am Markt verfügbaren Verfahren. Übrigens: auch Markenbewertungsverfahren, die den ISO-Kriterien nicht entsprechen, können weiterhin am Markt angeboten und umgesetzt werden.

communicationcontrolling.de: Können Sie vielleicht eine kurze Einschätzung abgeben, welche Auswirkungen der ISO-Standard auf die Vielzahl der Markenbewertungsmethoden am Markt haben wird?

Jörg Hoepfner: Der neue ISO-Standard bringt insofern Transparenz, als bei den ihm entsprechenden Verfahren klarer ist, wie die ausgewiesenen Markenwerte zustanden kommen, als bei der Gesamtheit der vorliegenden Modelle. Ich möchte prognostizieren, dass diese weitergehende Transparenz auch zu mehr Vertrauen gegenüber den ISO-gemäßen Verfahren führen wird. So denke ich dass das renommierte ISO-Label künftig ein wichtiger Faktor im Rahmen der Auswahl von Markenbewertungsdienstleistern sein wird.

communicationcontrolling.de: Christian Köhler, der Hauptgeschäftsführer des Markenverbands, der die Entwicklung des Standards beratend unterstützt hat, sieht nun die Banken gefordert, Markenunternehmen entsprechend bessere Finanzierungswege zu eröffnen. Wie beurteilen sie den ISO-Standard dahingehend?

Jörg Hoepfner: Auch für die Banken wird der ISO-Standard eine wichtige Orientierungsgröße werden. Er bewirkt neben der größeren Transparenz auch weitergehende – aber keine absolute – Vergleichbarkeit der ermittelten Markenwerte. Ich halte es für wahrscheinlich, dass dies auch zu besseren Finanzierungen beitragen kann.

communicationcontrolling.de: Inwieweit begünstigt die Entwicklung von Standards wie diesem die Rolle von monetären Markenbewertungsverfahren bei der Steuerung und Kontrolle sowie bei Käufen, Verkäufen und Fusionen von Marken?

Jörg Hoepfner: Ich vermute, dass das ISO-Label einen großen Image-Schub für diejenigen Verfahren bedeuten wird, die seinen Anforderungen entsprechen. Diese werden bei Käufen, Verkäufen und Fusionen vermutlich bevorzugt werden, insbesondere von Entscheidern, die mit dieser Thematik nur oberflächlich vertraut sind und daher auf das Gütesiegel ISO setzen. Im Rahmen der konstanten bzw. regelmäßigen Markensteuerung und –kontrolle ist es natürlich vorteilhaft, das gewählte Markenbewertungsverfahren – so es sinnvoll ist – längerfristig beizubehalten, um die Veränderungen der Markenstärke im Zeitablauf abzubilden. Jeder Wechsel des Markenbewertungsverfahrens bedeutet hier einen Bruch und damit geringere Vergleichbarkeit.

communicationcontrolling.de: Vielen Dank für das Interview!

Über Jörg Hoepfner

Jörg Hoepfner ist PR-Manager und Pressesprecher der BAUR Gruppe in Burgkunstadt. Davor war er über zwölf Jahre als Kommunikations- und Markenberater sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Leipzig tätig. Heute ist er Lehrbeauftragter an der Leipzig School of Media und publiziert regelmäßig zu den Themen Markenstrategie, Markenkommunikation und Markenwert. Das von ihm mitverfasste Buch Markenwert und Markenwertermittlung gilt als kommunikationswissenschaftliches Standardwerk zur Markenbewertung. Weitergehende Informationen über Jörg Hoepfner erhalten Sie auf seiner privaten Website.

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