Thought Leaders Interview: Walter K. Lindenmann

Von: Anika Müller / 18.09.2013

Diese Woche steht uns Walter K. Lindenmann für die Interview-Reihe „Thought Leaders in PR Measurement“ Rede und Antwort. Er ist Mitbegründer der Commission on PR Measurement and Evaluation des Institute for Public Relations (IPR) und war lange Jahre als Research Direktor bei Ketchum in den USA aktiv. Lindenmann berichtet von seinen fachlichen Erkenntnissen und persönlichen Erfahrungen, die er in den vergangenen 35 Jahren im Bereich des Kommunikations-Controllings gesammelt hat, und vor welchen Herausforderungen die PR-Praxis heute steht.

communicationcontrolling.de: Dr. Lindenmann, wann haben Sie angefangen, sich mit Steuerung und Evaluation von Kommunikation zu beschäftigen und warum interessiert Sie gerade dieses Thema?

Walter K. Lindenmann: Ich habe in den späten 70ern, frühen 80ern begonnen, mich mit Themen der Kommunikationssteuerung und -evaluation zu beschäftigen. In dieser Zeit erkundigten sich Kunden erstmals nach Forschungsdesigns und Methoden, die die Effektivität von PR als Kommunikationstool dokumentierten. Bis zur Mitte der 1970er Jahre zielte angewandte Forschung im Feld der Public Relations hauptsächlich auf die Planung und Entwicklung von PR-Programmen ab. In den 80er Jahren wurde es populär, den PR-Output hautsächlich durch inhaltsanalytische Methoden zu messen, und in den 90ern begonnen Wissenschaftler in den USA, auch den Outtake und den Outcome näher zu betrachten, indem sie qualitative und quantitative Methoden nutzten. Mich interessiert dieses Thema, da PR meiner Meinung nach nur erfolgreich kann sein kann, wenn es möglich ist, den Beitrag der Kommunikation nachvollziehbar zu machen.

Das vorliegende Interview ist Teil unserer zwölfteiligen Interviewreihe "Thought Leaders in PR Measurement". In dieser berichten Menschen, die die internationale Diskussion im Bereich Kommunikations-Controlling auf den Weg gebracht und in verschiedenen Phasen geprägt haben, über ihre persönlichen Erkenntnisse und Erfahrungen.

cc.de: Warum sind Sie der Ansicht, dass Kommunikations-Controlling heutzutage für Organisationen essentiell ist?

Lindenmann: Kommunikations-Controlling ist meiner Meinung nach so entscheidend, denn wie soll man sonst die verschiedenen PR-Strategien und -Taktiken, die man in der Praxis nutzt, begründen und verteidigen? Mit der Messung und Evaluation von Kommunikation belegen PR-Fachleute nicht nur ihre Erfolge und / oder Fehler, sondern können auch nützliche Informationen gewinnen, die zukünftig in die Entwicklung neuer PR-Aktivitäten einbezogen werden können – basierend auf dem, was in der Vergangenheit durchgeführt wurde.

cc.de: Was waren für Sie die wichtigsten Erkenntnisse und Wendepunkte bei der Beschäftigung mit dem Themenfeld Kommunikations-Controlling?

Lindenmann: Ein wichtiger Wendepunkt für mich war, als ich die hohe Komplexität, die hinter der Entwicklung eines Modells zur Messung von Kommunikation steckt, verstanden und schätzen gelernt habe. Man kann einzelne PR-Strategien und -Taktiken nicht nur auf der Output-, Outcome- und Outtake-Wirkungsstufe messen und evaluieren, sondern man muss auch die übergeordneten Unternehmensziele, die Anforderungen der Organisation, die Unternehmensreputation, die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen ins Unternehmen berücksichtigen.

cc.de: In der internationalen Forschung bestehen immer noch große Diskrepanzen zwischen der Wichtigkeit und der tatsächlichen praktischen Umsetzung von Kommunikations-Controlling. Auch wenn dies kontinuierlich bemängelt wird, scheint sich nichts zu ändern. Glauben Sie, dass es eine Lösung für dieses Dilemma gibt?

Lindenmann: Die Steuerung und Evaluation von Kommunikation ist nicht einfach. Es benötigt eine Menge Zeit und Anstrengung, und eine gute Portion Praxis für die Kommunikationsmanager, wenn sich etwas ändern soll. Wie ich schon in meinem Artikel Putting PR Measurement and Evaluation into Historical Perspective aufgezeigt habe, darf man nicht vergessen, dass die Geschichte der PR-Evaluation bis ins Jahr 1952 zurückgeht, als Scott Cutlip und Allen Center die Grundlagen der Messung und Evaluation von Kommunikation in der damals neuesten Ausgabe ihres bekannten Lehrbuchs Effective Public Relations diskutierten. Bis zur ersten Konferenz, in der es darum ging, wie man die Wirksamkeit von PR messen kann – im Jahr 1977 – dauerte es 25 Jahre. Es dauerte weitere 19 Jahre, bis zwei wichtige Fachkonferenzen über die Wirksamkeit von Kommunikation – eine in New York City, die andere in Frankfurt – 1996 stattfanden. Und es hat bis 1999 gedauert, bis das Institute for Public Relations die IPR Commission on PR Measurement and Evaluation gründete. Erst seit der Kommissionsgründung wurde eine große Anzahl an Fachbeiträgen veröffentlicht, die Ideen und Forschungsergebnisse aus dem Themenfeld bündelten. Wir befinden uns nun an einem Punkt, wo sich wirklich wichtige Erkenntnisse und Ideen abzeichnen, aber es hat ein halbes Jahrhundert gedauert, bis wir dort angekommen sind, wo wir nun stehen. Es wird noch ein paar Jahre dauern, bis wir Ergebnisse sehen. Aber wir müssen geduldig sein, wir thematisieren bereits die offenen Fragen und machen Fortschritte – langsam, aber ganz bewusst.

cc.de: Sind Sie der Ansicht, dass es möglich ist, internationale Standards zu entwickeln, die die Verbindung von Kommunikation und Organisationszielen und die Evaluation von Kommunikationsaktivitäten ermöglichen? Was sind die Vor- und Nachteile und wer könnte von solchen Initiativen profitieren?

Lindenmann: Ich denke, dass es möglich ist, internationale Standards zu entwickeln, die die Kommunikation und Organisationsziele und die Evaluation von Kommunikationsaktivitäten verbinden. Das benötigt aber ein gutes Stück Zeit, viele Überlegungen und Bemühungen. Wie ich bereits erwähnt habe, hat es fast ein halbes Jahrhundert gedauert, bis sich die Diskussion um die Frage nach der Wirksamkeit von PR und der Möglichkeit der Messung weiter entwickelt hat. Nun sind wir an dem Punkt angekommen, wo wir verschiedene Tools zur Messung von Kommunikation nutzen können. Public Relations ist noch immer ein relativ neues Handwerk, was von Tag zu Tag professioneller wird. Die Entwicklung internationaler Standards wäre nicht nur für die PR von Vorteil, sondern auch für verwandte Disziplinen wie für die Werbung und das Marketing, das Management und die Unternehmensfunktion an sich.

cc.de: Was ist Ihrer Ansicht nach in Zukunft die größte Herausforderung für das Kommunikations-Controlling?

Lindenmann: Als eine der größten Herausforderungen sehe ich zunächst, dass wir effektivere, praxisnahe Trainingsprogramme für PR-Verantwortliche entwickeln müssen. Zweitens müssen wir adäquate Grundlagen schaffen, um reliable und valide Forschung im Kommunikations-Controlling zu fördern und drittens müssen wir nicht nur hohe ethische Standards setzen, sondern auch in all unseren Studien zur PR-Forschung und -Messung, die wir durchführen, strikt befolgen und durchsetzen.

cc.de: Vielen Dank für das Gespräch.


Über Walter K. Lindenmann

Walter K. Lindenmann ist als unabhängiger PR-Berater spezialisiert auf das Gebiet der Messung, Steuerung und Evaluation von Kommunikation. Er war 12 Jahre als Senior Vice President und Director of Research bei Ketchum, einer international führenden Agentur für Kommunikationsberatung und Public Relations, in New York tätig. Dort baute er eigens eine Abteilung zur Forschung und Messung von Kommunikation auf. Lindenmann betreute in seiner bisherigen Karriere über 1.500 angewandte Forschungsprojekte im Bereich Public Relations und Public Affairs und war zudem als Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten weltweit tätig. Er ist Mitbegründer der IPR Commission on PR Measurement and Evaluation, in der er auch als erster Vorsitzender wirkte und mehrere Fachartikel verfasste.

Literaturtipps:

 Die englische Fassung des Interviews mit Walter K. Lindenmann finden Sie hier.


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