Stakeholderbeziehungen auf dem Prüfstand – Interview mit Silvia Hänig

Von: Maren Eitel / 22.11.12

Der Aufbau und die Pflege von Beziehungen zu den verschiedenen Stakeholdern einer Organisation bildet die Kernaktivität von Public Relations. Diese messbar zu machen, um sie optimal managen zu können, stellt Kommunikatoren vor eine komplexe Herausforderung.

Ein früher Ansatz, der sich dieser Problemstellung nähert, kam 1999 von James E. Grunig (Universität Maryland) und Linda Childers Hon (Universität Florida). In Ihren Guidelines for Measuring Relationships in Public Relations fordern sie die Beachtug von sechs elementaren Bestandteilen von Langzeitbeziehungen mit Kernstakeholdergruppen, die in Befragungen erhoben werden können. Frei übersetzt sind dies gegenseitige Kontrolle, Vertrauen, Zufriedenheit, Commitment, Austausch und Gemeinschaftlichkeit. Eine aktuelle Literaturübersicht zu diesem Thema und die Anwendung des Modells von Grunig und Hon findet sich beispielsweise in dieser Studie von Eva Grosman aus dem Jahr 2011.

In der Kommunikationspraxis beschränkt sich die Beziehungserfassung zumeist noch auf Aspekte wie Themenmonitoring und Reputationserhebungen. communicationcontrolling.de hat mit der Beraterin Silvia Hänig über die Möglichkeiten und Grenzen dieser praktischen Herangehensweise gesprochen.

communicationcontrolling.de: Warum soll man Stakeholderbeziehungen messen?

Silvia Hänig: Ganz einfach, einerseits geraten die Kommunikatoren gegenüber dem Management immer mehr in die Nachweispflicht, ihre Leistungen als Business-Mehrwert darzulegen. Das heißt, aus Stakeholderbeziehungen müssen sie einen messbaren Mehrwert für das Unternehmen schaffen. 

Andererseits werden sie getrieben durch die Mechanismen des Social Web, und müssen lernen, bisher bewährte und praktizierte Vorgehensweisen mehr und mehr auf deren Wirksamkeit hin zu hinterfragen. Denn es geht heute nicht mehr nur darum, Inhalte und Botschaften des Unternehmens zielgruppengerecht zu kommunizieren, sondern einen businesstauglichen Dialog mit bestehenden und vor allem neuen unternehmensrelevanten Communities aktiv zu führen und zu steuern.

cc.de: Kann man Beziehungen überhaupt messen und wenn ja, wie?

Hänig: Eine managebare Bezugsgröße, die auch jedem Kommunikationsverantwortlichen vertraut ist, ist das Themenmanagement. Aus der Kenntnis eines thematischen Interesses heraus, kann eine Beziehung beeinflusst werden. Dazu ein Beispiel aus der Praxis: ein Unternehmen identifiziert die Erwartungen seiner Anspruchsgruppe an seine gesellschaftliche Verantwortung im Themenkontext. Durch diese Kenntnis kann die Kommunikation  interessensrelevante Kernbotschaften an diese Stakeholder richten. Und als Ergebnis positive Meinungen dieser Gruppe über einschlägige Kommunikationskanäle verzeichnen. Masseinheit wären hier die Wandlung von negativen zu positiven Äußerungen. Damit verbessert sich auch die Beziehungsqualität zum Unternehmen. Messen lassen sich aber auch Beziehungsqualitäten im Vertrieb, dem die Kommunikation oft zuarbeitet. Da geht es dann darum, den Erstkontakt oder auch Auftrag mittels beeinflussender Themenperformance zu erreichen. 

cc.de: Welche Schwierigkeiten gibt es dabei und wie kann ihnen begegnet werden?

Hänig: Heute entstehen hoch emotionalisierte Gegenöffentlichkeiten quasi über Nacht. Aufgrund des Faktenüberflusses und häufig hoher thematischer Komplexität gelingt es nur schwer, schnell einen aktuellen vollumfänglichen Überblick über Themenkonjunkturen und den dazuhörigen Stakeholdern zu erlangen, um schnell  handlungsfähig zu sein. Der öffentliche Diskurs, der zu allen Profilierungsthemen von Unternehmen stattfindet, wird noch zu wenig in der Kommunikation berücksichtigt. Demzufolge auch meist die Einflüsse auf die eigene Reputation nicht oder zu spät erkannt. Aber Umdenken ist schwer, vor allem wenn die Macht der Gewohnheit im Spiel ist.

Kommunikatoren müssen heute in der Lage sein, jederzeit die strategisch wichtigen Thementreiber zu kennen, die die eigene Reputation beeinflussen. Um dann auch zu wissen, zu wem mit welchen Botschaften und Maßnahmen eine Beziehung aufgebaut werden muss. Das gelingt nur mit Hilfe einer kommunikationstauglichen Echtzeit-Analyse, die die eigene Performance unterstützt.  Resonanzanalysen, die lediglich Daten aggregieren, aber nicht in Bezug zur Unternehmenskommunikation setzen, greifen hier zu kurz.   

cc.de: Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten sehen Sie zwischen der Stakeholderbeziehungsmessung und den Ansätzen der Reputationsmessung und des Relationship Measurement?

Hänig: Gemeinsamkeiten sind, alle Ansätze stellen Steuerungsinstrumente mit nachweisbarem Einfluss auf den Unternehmenswert dar. Alle sind Kontrolleinheiten für die Maßnahmen in jedem Unternehmensbereich, der Stakeholderbeziehungen verantwortet, und alle Messungen können mit Ergebnissen aus Marktforschung und anderen Befragungen verzahnt werden.

Einen großen Unterschied sehe ich darin, dass die Reputationsmessung wie auch in Teilen das Relationship Measurement Unternehmen heute oft zu komplex in der Anwendung erscheint. Je nach Aufgabenstellung ist der Ist-Zustand von Unternehmensbeziehungen zu bestimmten Stakeholdern leicht und unkompliziert ermittelbar.  

cc.de: Worauf kommt es Ihrer Meinung nach an, wenn kleine oder große Firmen Kommunikations-Controlling betreiben möchten? 

Hänig: Durch demokratisierte Medienlandschaften und multimediale Kommunikationskanäle auch für die Mitarbeiter, wächst der Verantwortungsbereich der Kommunikatoren. Diesen Bedeutungszuwachs müssen sie auch intern ans Management vermitteln, langfristig als Beziehungsmanager und strategischer Impulsgeber wahrgenommen zu werden. Die Kommunikationsfunktion kümmert sich um die Beziehungen am Finanzmarkt, am Absatzmarkt, am Ressourcenmarkt und dem Interessenmarkt, und ist damit zentral, um immaterielle Werte zu schaffen.  Allzu starre Abteilungskonzepte sind hier kontraproduktiv.

In der Rolle des multimedialen Beziehungsmanagers nutzt die Kommunikation idealerweise Controlling wie eine Art „als Katalysator“, um auf das Verhalten bestimmter Bezugsgruppen im Sinne der Unternehmensziele einwirken zu können. Er muss wissen, welche Stakeholdergruppen sind zu einem bestimmten Zeitpunkt relevant für das Unternehmen, welche nicht. Kommunikations-Controlling hilft hier, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, die eigenen Ressourcen dadurch gezielter einzusetzen und produktiver zu machen. Und Stakeholder-Dialoge unternehmensrelevant zu führen. 

Unternehmen, die Kommunikation entlang von Planwerten betreiben möchten, sollten zunächst mit einfachen Messkriterien starten, die eine hohe Praxisrelevanz haben und unmittelbare Ergebnisse hervorrufen können. 


Über Silvia Hänig

Silvia Hänig ist Inhaberin von iKOM, eines Beratungsunternehmens für Unternehmenskommunikation. iKOM konzentriert sich auf systematisches Kommunikationsmanagement im Interim-Ansatz. Frau Hänig gleicht temporäre Kommunikationsspitzen aus, übernimmt spezielle Kommunikationsprojekte und bietet PR-Outsourcing. Ihre Beratungsfelder umfassen die strategische Positionierung, Medienkommunikation, Issue Management, Kommunikations-Performance Management sowie Technologie,- und Changekommunikation. 


--> zurück zu Praxiswissen.


deutsch english

Eine Initiative von:

Werbung